Pfarrgemeinde und Pfarrkirche St. Martin Weismain sowie Kreuzkapelle
(Punkt 1. – 6.: verfasst von Johannes Tremel;
Punkt 7. & 8. : verfasst von Andrea Göldner)
Das Martinspatrozinium deutet daraufhin, dass die Pfarrei Weismain weit in der Vergangenheit ihre Wurzeln und Ursprünge hat. Orts- und Pfarrgeschichte sind miteinander verwoben und wären früher auch nicht anders denkbar gewesen.
Im Jahr 800 findet sich eine erste urkundliche Erwähnung Weismains, doch dürfte eine Besiedlung schon in frühkarolingischer Zeit vorhanden gewesen sein, wie Ausgrabungen an der Giechkröttendorfer Straße nahelegen und dass Menschen hier siedelten reicht laut neuesten Ausgrabungen im „Kaspäuerer Grund“ noch viel weiter in die Geschichte zurück.
Im Jahr 800 findet sich eine erste urkundliche Erwähnung Weismains
Eng mit der Geschichte der Andechs-Meranier verbunden ist auch die erstmalige Erwähnung Weismains als Pfarrei am 18. Juni 1248. Mit dem Tod des letzten Meraniers wird Weismain sehr bald am 10. Februar 1255 dem Hochstift Bamberg eingegliedert und bleibt so auch in den Wirren der Reformationszeit im Grunde katholisch.
Mit der Erhebung zur Stadt im Jahr 1313 konnte Weismain schließlich zu einem Zentrum des Juraraumes „Gebärch“ werden, was ja in gewisser Weise auch heute wieder zutrifft.
Tritt man ganz unbefangen ein in die Weismainer Pfarrkirche meint man zunächst eine sehr alte romanische Kirche vor sich zu haben, doch ein Blick in den Chor verweist auf Gotik. Aber unbeschadet aller kunsthistorischen Überlegungen besticht und fasziniert die Größe und proportionale Ausgewogenheit des Kirchenraumes. Man ist wahrhaft in einem Gotteshaus.
Es ist durchaus anzunehmen, dass in Weismain bereits vor der Gründung des Bistums Bamberg 1007 eine Kirche stand
Die Kirche, wie man sie heute erlebt, ist Produkt vieler Umbauten und Renovierungen.
Die im Herbst 1990 im Gewölbe des Chorraumes entdeckte Jahreszahl 1538 lässt den Schluss zu, dass der Chor und sicher auch der Turm um diese Zeit erbaut worden sind. Die Menschen wollten sich entsprechend ihrem Selbstverständnis und auch der Bedeutsamkeit ihres Ortes auch eine große Kirche bauen mit einem weit ins Umland ragendem Turm, ähnlich den großen Reichsstädten in dieser Zeit.
Leider war das zugehörige dreischiffige Langhaus möglicherweise ungenügend geplant und die finanziellen Mittel nicht ausreichend, sodass es 1887 wegen Baufälligkeit geschlossen und 1889/91 durch einen genialen Neubau ersetzt werden musste. Der Anbau der Sakristei an der Nordwand des Chores mit Entfernung der Stützpfeiler aber verursachte erhebliche Schäden des Chorgewölbes, die 2010/11 mittels einer sichernden Stahlkonstruktion behoben werden mussten.
Es ist durchaus anzunehmen, dass in Weismain bereits vor der Gründung des Bistums Bamberg 1007 eine Kirche stand, bereits in karolingischer Zeit, möglicherweise auch noch früher in Relation zur Urpfarrei St. Kilian Altenkunstadt und den 14 Slawenkirchen in der Regnitz- Obermainregion. Gesicherte Erkenntnisse dazu scheinen noch nicht vorzuliegen, aber vermuten kann man es durchaus.
Hochaltar und Chor
Der spätgotische Chorraum der Kirche wird beherrscht vom imposanten Hochaltaraufbau mit dem mächtigen Altarbild des Kirchenpatrons St. Martin als Bischof von Tours, dem Heiligen Johannes Nepomuk und Jakobus dem Älteren, dem zweiten Patron der Pfarrkirche (zu sehen auch als Statue mit Pilgerstab sowie St. Martin mit der Gans am westlichen Außenportal).
Flankiert wird das Altarbild von vier überlebensgroßen Heiligenfiguren: den Bistumspatronen St. Heinrich und St. Kunigunde und Bischof Otto sowie dem Heiligen Sebastian, erkennbar an ihren jeweiligen Insignien: Zepter und Pflugschar, Bischofstab und Köcher mit Pfeilen.
Ausdrucksstark und künstlerisch hervorragend gelungen ist der oberste Altaraufbau
Ausdrucksstark und künstlerisch hervorragend gelungen ist der oberste Altaraufbau mit der Aufnahme und Krönung der Gottesmutter Maria im Himmel mit Gott Vater zur Rechten und Gott Sohn mit dem Kreuz zur Linken und über allem schwebend der Heilige Geist in Gestalt einer Taube. Das Ganze wird flankiert von zwei Engeln.
Dieser ganze Aufwand hat seine Begründung in der realen Gegenwart Christi durch konsekrierte Hostien im Tabernakel. Hinweis dafür ist das ständig brennende -ewige Licht- in einer katholischen Kirche. Der Altar als Ort der gemeindlichen Messfeier und der Tabernakel bilden somit auch das Zentrum einer katholischen Kirche und Gemeinde.
Mit der Liturgiereform des II. Vatikanums wurde die Verkündigung des Wortes Gottes mehr in den Mittelpunkt gerückt und mit dem „Volksaltar“ auch die sonntägliche Eucharistiefeier als grundlegend und sinnstiftend für eine Gemeinde, die ihren Anfang hat in jedem Getauften. Diese drei Pole sind in der Weismainer Kirche hervorragend präsent mit der alten Kanzel zur Linken, dem Volksaltar in der Mitte und dem spätgotischen Taufstein zur Rechten am Aufgang zum Chorraum.
Seitenaltäre
Der linke Seitenaltar ist in seiner ganzen Aufmachung der Verehrung der Gottesmutter Maria gewidmet. Auf dem Altarbild ist sie dargestellt als die Himmelskönigin mit der Krone auf dem Haupt und dem Zepter in ihrer rechten Hand, mit der linken Hand trägt sie das Jesuskind. Sie steht auf der Mondsichel und zertritt den „Kopf“ der Schlange mit ihren Füßen.
Die Seitenfiguren stellen links den hl. Joachim dar, der seine Tochter Maria im Arm hält und rechts den hl. Josef mit dem Jesusknaben auf dem Arm und den jungen Johannes zu seinen Füßen.
Der oberste Teil des Altaraufbaus spielt mit der Symbolik der Lauretanischen Litanei, einem Preis- und Bittgebet zur Verehrung und Anrufung der Gottesmutter Maria, wo Maria als Meerstern, Turm Davids, Elfenbeinturm, Haus der Weisheit und Bundeslade gepriesen wird.
Wie verkorkst das Leben eines Menschen auch gewesen sein mag: das Herz Jesu ist für jeden offen
Der rechte Seitenaltar hat genau genommen mehrere Verehrungsmomente, die im Leben eines gläubigen Christen eine Rolle spielen können, vielleicht auch sollten:
Zentral auf dem Altarbild der verklärte Christus in den Himmel auffahrend. Er lässt seine verdutzten Jünger und auch seine Mutter zurück, die nun allein auf sich gestellt ihrem Herrn und Meister nacheifern müssen, um ihr eigentliches Lebensziel, das ewige Leben bei Gott zu erreichen. Helfen kann dabei das Leben und Vorbild der Heiligen, besonders der Vierzehn Heiligen Nothelfer, die im oberen Teil des Altares mit ihren Attributen dargestellt sind. Wie verkorkst das Leben eines Menschen auch gewesen sein mag: das Herz Jesu ist für jeden offen, sofern er sich bekehrt, deshalb die Herz -Jesu -Statue in der Mitte. Links der hl. Antonius, der große Heilige des Franziskanerordens mit dem Jesuskind auf dem Arm. Rechts der hl. Nepomuk, ein heiliggesprochener Priester (es sind mehr als man so gemeinhin denkt) und Märtyrer (Blutzeuge) des Beichtgeheimnisses.
Weitere figürliche Darstellungen
Nicht zu übersehen am linken Chorbogen ist eine spätgotische Madonna (früher auch als Gnadenbild verehrt und in kostbare Gewänder gehüllt), die göttliche Himmelskönigin und Herzogin von Franken, wie es in einem gern gesungenen Marienlied heißt.
Am Ambo (ehemalige Kanzel) die göttlichen Tugenden Glaube und Hoffnung figürlich dargestellt, dazwischen dürfte symbolisiert durch Altar, Kelch, Messbuch und Kreuz die göttliche Liebe plaziert sein.
Am Haupteingang und unter der Empore findet man noch folgende Statuen: rechts den hl. Sebastian und den hl. Wendelin mit Hirtenstab, links eine Kreuzigungsgruppe mit Maria und Johannes; weiter sind zu sehen rechts und links in den Seitenschiffen Konrad von Parzham (Altötting) und Therese von Lisieux (Frankreich), im Mittelschiff eine Marien- und Josefs-Statue und schließlich noch, wenn man vom Mittelgang zum Ausgang blickt zwei Prozessionsfiguren: eine Madonna und eine Herz -Jesu-Statue.
Abschließend soll noch auf die 14 Kreuzwegbilder an den Seitenwänden hingewiesen werden. Wer sie nicht, bzw. nicht mehr kennt kann im Gotteslob ab Seite 948 nachlesen.
Das spätgotische Taufbecken verdient es, besonders herausgestellt zu werden:
Zum einen steht es für das Initiationssakrament Taufe, zum anderen zeigt es eine hohe künstlerische Ausgestaltung gepaart mit tiefgründiger theologischer Sakraments- und Glaubensdeutung – erkenntlich durch das um das Becken laufende Spruchband, das in etwa folgendermaßen lautet: „Johannes hat am Jordan getauft und ohne das Sakrament der Taufe wird niemand auf Erden selig.“ (Nach Meinung Peter Ruderichs in Weismain, Band 2, Seite 94, Anmerkung 62 sei dies wörtlich mit Sicherheit falsch, sinngemäß scheine die Inschrift aber so zu lauten. Er begründet dies damit, dass es ihm nicht gelungen sei, die in gotischen Minuskeln und zuweilen spiegelverkehrt, schräg oder auf dem Kopf stehende Inschrift wirklich zu entziffern.)
Rings um den sechseckigen Schaft sind in Reliefdarstellung und mit Inschrift versehen sechs heilige Frauen dargestellt und zusätzlich gekennzeichnet durch ihre Attribute:
Dorothea mit Blumenkorb, Katharina mit Schwert und Rad, Maria Magdalena mit Salbgefäß, Ottilie mit Buch und Augen, Margareta mit Drachen und Barbara mit Kelch. Dorothea, Katharina, Margareta und Barbara haben eine Krone auf dem Haupt, welche auf ihr erlittenes Märtyrertum und Blutzeugnis für ihren christlichen Glauben hinweist.
An den sechs Ecken des Taufbeckens lächeln verzückt und erlöst dem Betrachter ebenfalls sechs Heilige entgegen: St. Martin mit Mitra und Bischofsstab, Kaiser Heinrich mit Krone und Zepter, Johannes der Täufer, erkenntlich an seiner Haartracht, Jakobus mit Pilgerstab, Stephanus mit Steinen und Laurentius mit einem Rost als Attribut.
Dieses Lächeln und die Verzückung korrelieren mit dem Tauflied im Gotteslob 870, Strophen 2, 3 und 4, worin die ganze Glaubenslehre des Taufsakramentes in ein Lied gefasst ist:
„O Seligkeit, getauft zu sein, in Christus neu geboren! Von aller Schuld bin ich befreit, erlöst ist, was verloren. Wer kann ermessen welche Gnad mir Gott, der Herr, erwiesen hat? Mein Leben soll es danken.
O Seligkeit, getauft zu sein, in Christus eingesenket! Am Leben der Dreieinigkeit ward Anteil mir geschenket. Ich bin der Kirche Christi Glied: Ein Wunder ist’s, wie das geschieht. Ich bete an und glaube.
An Jesu Christi Priestertum hab ich nun teil in Gnaden. Zum Opferdienst, zum Gotteslob hat er mich eingeladen. Ich bin gesalbt zum heiligen Streit, bin Christi Königreich geweiht. Ihm will ich leben, sterben.“
Wie schon dargelegt: Das Taufbecken ist in Stein gemeißelt die ganze Summe eines christlichen Lebens: Der Getaufte kann verzückt lächelnd eigentlich alle Schwierigkeiten seines Lebens meistern, sofern er es will.
Glocken sind Signalgeber. Sie strukturieren den Tag, die Woche, das Jahr und das Leben. So war es zumindest früher einmal. Zum Beispiel das Angelusläuten: Es mahnt, die Arbeit zu unterbrechen und sich dem eigentlichen Lebensinhalt und Zweck zu zuwenden und sich nicht mit arbeiten, arbeiten, arbeiten … selbst fertig zu machen; Pausen einzulegen, den Feierabend zu genießen, am Sonntag zur Ruhe zu kommen. Früher war das selbstverständlich, doch wer achtet heute noch auf das Angelusläuten oder das sonntägliche Läuten zum Gottesdienst?
Warum kommen heute so viele Menschen nicht mehr mit ihrem Leben zurecht? Es könnte sein, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens ungenügend beantwortet ist.
Hält der Mensch inne, erinnert durch das Angelusläuten, wird das nicht so leicht passieren: Ihm wird bewusst, zu mehr berufen zu sein, als zu raffen und zu schaffen und Erfolg zu haben. Man bräuchte nur das Läuten der Glocken und dessen Bedeutung wieder bewusst wahrnehmen!
Im Turm der Weismainer Kirche hängen vier Glocken. Die Zwölfer ist mit 25 Zentner die Größte, gefolgt von der Neuner mit 21 Zentnern. Die Gedächtnisglocke wiegt 10 und die Vesperglocke („Sterbeglocke“) 4 Zentner.
Interessant sind die Inschriften auf den beiden großen Glocken, wie zum Beispiel auf der Zwölfer: „Gottes Wort bleibt ewig, Glaub mit Tat, wirst selig“ oder auf der Neuner: „Defunctos plango, vivos voco, fulgura frango“ (Die Toten beklage ich, die Lebenden rufe ich, die Blitze breche ich).
Eine ausführliche Abhandlung über die Weismainer Glocken und ihre Geschichte ist zu finden in: Weismain, Band 2, Seiten 201-208. Verfasser ist Claus Peter. Hingewiesen sei auch auf eine Marginale zur Zwölferglocke, verfasst von Norbert Fiedler, nachzulesen im Weismainer Kirchenführer auf den Seiten 24 und 25.
Mit zu den Höhepunkten des Gemeindelebens von St. Martin Weismain gehört sicherlich auch die alljährliche Wallfahrt nach Vierzehnheiligen. Um die 200 Personen, meistens sogar mehr, machen sich am 2. Sonntag im Juli in aller Herrgottsfrühe auf den Weg zum Gnadenort der Vierzehn Heiligen Nothelfer. Wir Weismainer können nach Aufzeichnungen unserer Blasmusik auf eine über 250-jährige Tradition dieser Wallfahrt zurückblicken, doch laut Dokumenten im Staatsarchiv in Bamberg sind es mehr als 400 Jahre, dass die Weismainer um der Verehrung willen zu den Vierzehn Heiligen Nothelfern wallen.
Was hat unsere Vorfahren einst bewegt, diese Wege zu gehen und was bewegt uns heutige Menschen des 21. Jahrhunderts?
Wallfahren heißt: auf dem Weg sein, einem Ziel entgegen … Wallfahrt, ein Bild für unseren Lebensweg. Lebenswege: gerade, verschlungen, beschwerlich, Kummer und Sorgen, schwere Lasten mit sich tragend, Irrwege, Sackgassen … doch dann Neuorientierung, ein Ziel klar vor Augen …
Es kann einem schon vieles durch den Kopf gehen auf einer Wallfahrt, vielleicht mit ein Grund, dass Wallfahren auch heute noch so viel Anklang findet: Wer einmal dabei war, wird ihn nicht mehr missen wollen den Gang zum herrlich gelegenen Gotteshaus, dem Gnadenort der Vierzehn Heiligen Nothelfer, wo Tröstung erfahren darf, der Hilfe sucht vom Himmel aus:
Bei der Gottesmutter Maria, bei den drei heiligen Frauen: Margareta, Barbara und Katharina; bei Christopherus, dem Christusträger und Patron der Unterwegsseienden, beim hl. Blasius, dem besonderen Helfer bei Halsbeschwerden …
Beim hl. Georg, dem Drachentöter auch im übertragenen Sinn: denn viele Drachen bedrohen auch heute das Leben und wollen ihre Opfer haben …
Vierzehnheiligen-Wallfahrer suchen Hilfe vom Himmel aus: beim hl. Cyriakus, Diakon im alten Rom zur Zeit der diokletianischen Christenverfolgung, beim hl. Dionysius, dem Schutzpatron Frankreichs, beim hl. Erasmus, Bischof und Patriarch von Antiochia, beim hl. Eustachius, dem Schutzpatron der Jäger und Förster, beim hl. Pantaleon, dem zur Marter die Hände aufs Haupt genagelt wurden.
Tröstung und Hilfe suchen Vierzehnheiligen-Wallfahrer bei den heiligen Achatius und Ägidius, besonderen Fürsprechern in Zweifeln, geistiger Not und Verlassenheit, beim hl. Vitus, der noch ein Kind, bereits ein schlimmes Martertum erleiden musste und im Veitsdom in Prag bestattet ist.
Jesus stand in der Mitte der Vierzehn Nothelfer, so die Legende der Entstehung des Wallfahrtsortes Vierzehnheiligen: „als lieblich Kind an diesem Ort und seither schallt der Pilger Bitte aus wunden Herzen immerfort, ihr Vierzehnheiligen groß bei Gott, o helfet uns Not und Tod“.
Die katholische Kreuzkapelle (Burgweg 21, 96260 Weismain) ist ein eingetragenes Baudenkmal (Bayerische Denkmalliste Nr. D-4-78-176-43).
Ihre Errichtung war das erste größere Bauvorhaben der Weismainer Bürgerschaft nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs. Auf dem Bauplatz außerhalb der Stadtmauer, im Osten der Stadt am Weg nach Niesten und Krassach, stand ursprünglich nur ein Kreuz, zu dem die Karfreitagsprozession zog.
Im Spätsommer 1701 begannen die Bauarbeiten, die von Maurermeister Johann Michael Schreinlinhard geleitet wurden. Peter Ruderich bezweifelt, dass der Maurermeister zugleich der Architekt der Kapelle gewesen sei. Er vermutet vielmehr: Es scheint daher wahrscheinlicher, den Entwurf dem Taufpaten seines Sohnes zuzuschreiben, dem bewährten Maurermeister Christoph Leidner, einem gebürtigen Tiroler aus der Pfarrei Ebbs bei Kufstein. Dieser ist schon 1687/88 als Geselle in Bamberg nachweisbar, arbeitete 1689 bis 1692 als Polier Leonhard Dientzenhofers an der Bamberger Jesuitenkirche, am Amtsschloß Marloffstein und schließlich auf Schloß Greifenstein. 1692 erhielt er das Landmeisterrecht als Maurer und Steinhauer; zunächst in Hallstadt ansässig, ließ er sich 1694 in Gaustadt und schließlich 1697 in Bamberg nieder. Von hier aus war er bis zu seinem Tod 1719 vor allem als Baumeister von schlichten Landkirchen und Pfarrhöfen im gesamten Hochstiftsgebiet recht erfolgreich tätig. 1702 hielt er sich als „Palier“ in Weismain auf, so daß er durchaus als entwerfender Architekt der Kreuzkapelle in Frage kommt. Durch Frondienste der Bürgerschaft schritt der Bau voran, und im Herbst 1702 war der Rohbau fertig. Am 13. Juni 1706 konsekrierte Weihbischof Johann Werner Schnatz den Heilig-Kreuz-Altar in der neuen Kapelle.
War es während der Bauzeit schwierig, das erforderliche Geld für den Kapellenbau zu akquirieren, scheint die Spendenfreudigkeit der Gläubigen in den ersten Jahren nach der Fertigstellung groß gewesen zu sein. Durch Spenden kam nach und nach die Innenausstattung (drei Altäre, eine Orgel und eine Glocke) in die Kapelle. Der Weismainer Chronist Johann Baptist Foerst schreibt im Jahr 1856 über die Kreuzkapelle: “Bemerkenswerth erscheint es noch anzuführen, daß in den ersten Jahren der Entstehung der Kapelle die Opfer an Geld, Kälbern, Schaafen, Ziegen, Gänsen, Hühnern, Schmalz, Gedrait etc. etc. in so reichlichen Maße der Kapelle zu flossen, daß ein eigener Platz für die geopferten Thiere unter der Stiege der Emporkirche eingerichtet werden mußte, damit die Thiere die Kapelle nicht verunreinigen konnten. Der Erlös aus dergleichen Opfern betrug jährlich über 100 fl – wie die Rechnungen der Jahre 1721-27 darthun.”
Am Burgweg war ein einfacher, anspruchsloser Saalbau aus verputzten Sandsteinquadern entstanden. Auffallend sind das Westportal mit gesprengtem Segmentgiebel und der achteckige, verschieferte Glockenturm.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden verschiedene Reparaturen erforderlich. Die Kirchentür, die beiden Chorbänke und das Kommunikantengitter stammen aus dieser Zeit.
Umbau- bzw. Renovierungsarbeiten im späten 19. Jahrhundert veränderten das Erscheinungsbild des Innenraums. 1868 wurde das ursprüngliche Chorgewölbe entfernt und durch eine Flachdecke ersetzt. Zu einer Gesamtrenovierung kam es in den Jahren um 1900. Im Zuge dieser Maßnahme wurde der Hochaltar durch einen qualitätvollen Neubau im Stil der Neorenaissance ersetzt, während der ausdrucksstarke Kruzifixus, eine Arbeit des 17. Jahrhunderts, erhalten blieb. Die Figuren der Maria und des Johannes schuf der Bamberger Bildhauer Philipp Dorsch im Jahr 1901.
In Verbindung mit der Kreuzkapelle sind sieben Bildstöcke aus Sandstein erhalten, die am Burgweg stehen und an denen der Kreuzweg gebetet wurde, wenn am Karfreitag die Prozession in die Kapelle zog. In der Bayerischen Denkmalliste sind die sieben Kreuzwegstationen in Zusammenhang mit der Kapelle verzeichnet. Die plastisch und aufwändig gearbeiteten Bildstöcke, die von Bürgern gestiftet wurden, stammen aus den Jahren 1703 bis 1724. In seiner Gesamtheit stellt dieser […] erhaltene Kreuzweg ein bedeutendes kulturgeschichtliches Denkmal dar, urteilt Peter Ruderich.
Im Chor der Kreuzkapelle befindet sich über der linken Chorbank das Wappen der Familie Handel, das dort im Jahr 1880 vom österreichischen General Viktor Freiherr von Handel-Mazzetti angebracht wurde. Es erinnert an seinen Vorfahren Johann (Hans) Handel, der sich 1626 als Metzger in Weismain niederließ. Seine Gattin Margaretha wurde 1674 der Hexerei bezichtigt und nach Bamberg zum Verhör gebracht. Im Zuge der Befragungen verstarb sie, ohne dass ihr ein Vergehen nachgewiesen werden konnte. Über der rechten Bank ist das Wappen der Schenk von Stauffenberg angebracht.
Nachdem die Karfreitagsprozession im frühen 19. Jahrhundert eingestellt wurde, wurde es ruhig um die Kreuzkapelle. Der Plan, um sie herum einen neuen Friedhof anzulegen, fand keine Umsetzung. Stattdessen diente die Kreuzkapelle als Ausweichmöglichkeit für die Gottesdienste, wenn diese nicht in der Pfarrkirche St. Martin abgehalten werden konnten. Dies war zum Beispiel 1816 und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Fall, als das Langhaus der Pfarrkirche wegen Bauschäden gesperrt werden musste. Die evangelische Kirchengemeinde Buchau/Weismain feierte in der Kapelle seit 1945 ihre Gottesdienste, bis die eigene Christuskirche im September 1960 eingeweiht wurde.
Bis heute engagieren sich Weismainer Bürger für den Erhalt der Kreuzkapelle. An erster Stelle ist hier die Weismainer Kolpingfamilie zu nennen. Besonders in der Osterzeit rückt die Kapelle ins Licht der Öffentlichkeit, wenn von dort die Palmsonntagsprozession in die Pfarrkirche zieht. Am Karfreitag lädt die Katholische Pfarrei zum Bußgang ein, der von der Kapelle am Oberen Tor zur Kreuzkapelle führt. Im September wird das Patronatsfest mit einem Gottesdienst in der Kapelle gefeiert.
Durch ihre direkte Lage am Frankenweg, einem überregionalen Wanderweg vom Rennsteig zur Schwäbischen Alb, wird die Kapelle auch von vielen Wanderern gerne besucht.
Literatur:
Johann Baptist Foerst: Weißmain, das ehemalige Fürstbischöfliche Bamberg’sche Landstädtchen geschichtlich dargestellt von den derzeitigen Gemeindevorsteher dasselbst. Als Versuch einer Local=Chronick. Manuskript 1856, S. 29 f. (Verwahrt im Stadtarchiv Weismain)
Bernhard Dietz: Der Kreuzweg auf dem Burgberg zu Weismain. In: Heimat-Blätter vom Maintal und Jura / Beilage zum Lichtenfelser Tagblatt Nr. 17/1930.
Die Geschichte der Kreuzkapelle in Weismain, nach einer Aufzeichnung des bekannten Heimatforschers Bernhard Dietz +. In: Heimat-Blätter vom Maintal und Jura / Beilage zum Lichtenfelser Tagblatt Nr. 11/1960.
Peter Ruderich: Kunst- und Architekturgeschichte Weismains vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 2, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 1996, S. 81-200, hier S. 123).
Günter Dippold: Zur Weismainer Kirchengeschichte von den Anfängen bis zum Ende des Hochstifts Bamberg. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 1, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 2011, S. 203-230, hier S. 219-222.
Josef Urban: Aspekte der Weismainer Pfarr- und Kirchengeschichte im 19. Jahrhundert. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 1, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 2011, S. 231-262, hier S. 236 f.
Alfons Motschenbacher: Die katholische Pfarrei Weismain in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 1, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 2011, S. 263-278, hier S. 264.
Norbert Fiedler: Hl.-Kreuz-Kapelle. In: Weismain. St. Martin. Kleine Kunstführer Nr. 1813, Regensburg 2000 (2. Aufl.), S. 16-19.
Der nachfolgende Text wurde anlässlich des “Tag[es] des offenen Denkmals” von Andrea Göldner recherchiert, verfasst und vorgetragen. Anschließend hat Sie diesen freundlicherweise für die unetgeltliche Veröffentlichung auf dieser Seite zur Verfügung gestellt. Dafür ein herzliches “Vergelt´s Gott”.
Die katholische Kreuzkapelle (Burgweg 21, 96260 Weismain) ist ein in die Denkmalliste eingetragenes Baudenkmal. Eine umfassende Sanierung des Gotteshauses geht in diesem Jahr zu Ende, und ich habe mich sehr gefreut, dass die katholische Pfarrei sofort zugestimmt hat, als es um die Teilnahme am Tag des offenen Denkmals ging. Das Motto lautet in diesem Jahr „Entdecken, was uns verbindet“. Es bezieht sich auf das Europäische Kulturerbejahr 2018: Die Veranstalter gehen mit ihren Besucherinnen und Besuchern auf Spurensuche europäischer Einflüsse in deutschen Denkmalen. Dabei verfolgen sie etwa Fragestellungen nach der Herkunft von Handwerkern und Handwerkstechniken, Baumaterialien oder Stilelementen, und einige dieser europäischen Verbindungen sind durchaus auch in der über 300 Jahre alten Weismainer Kreuzkapelle zu finden.
Der Kapellenbau war das erste größere Bauvorhaben der Weismainer Bürgerschaft nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs. Auf dem Bauplatz außerhalb der Stadtmauer, im Osten der Stadt am Weg in Richtung Niesten und Krassach, stand ursprünglich nur ein Kreuz, zu dem die 1651 von Pfarrer Elias Kraus eingeführte Karfreitagsprozession zog.
Der Plan, eine neue Kapelle zu bauen, beschäftigte die Weismainer Bürger bereits seit dem Ende des 17. Jahrhunderts. In der Stadtmitte, hinter dem Haus Am Markt 11, hatte es früher eine St.-Anna-Kapelle gegeben, die auch als „Alte Kapelle“, als „St. Anna in der Gaß“ oder auch als „Giecher Kirche“ bezeichnet wurde. Das kleine Gotteshaus war spätestens im Laufe des 17. Jahrhunderts komplett zugrunde gegangen und eingefallen. Ein Eintrag in den Weismainer Stadtratsprotokollen deutet darauf hin, dass es zunächst die Überlegung gab, diese ruinöse Kapelle wieder aufzubauen. Obwohl die Familie Dietz, der das Grundstück mit dem eingefallenen Gotteshaus gehörte, dieses für einen Kapellen-Neubau zur Verfügung gestellt hätte, fiel die Entscheidung schließlich zugunsten des Platzes am Burgweg, auf dem die Kreuzkapelle ja bis heute steht.
1695 gab es erste Geldsammlungen, um die Baukosten bestreiten zu können. Bauholz wurde in den Staatsforsten geschlagen, und die Steine für den Bau wurden im Moritzer Holz gebrochen. Im Spätsommer 1701 begannen die Bauarbeiten, deren Leitung Maurermeister Johann Michael Schreinlinhard, der in anderen Quellen auch als Schrimlinhard bezeichnet wird, übernommen hatte. Dieser stammte aus Ellwangen, wo er eine dreijährige Maurer- und Steinhauerlehre abgeschlossen hatte. Seine Wanderung als Geselle hatte ihn nach Bamberg geführt – 1698 nahm ihn die dortige Maurerzunft auf. Denkbar ist, dass Schreinlinhard im Zuge des Kastenhof-Neubaus nach Weismain gekommen war, wo er im Schulhaus bei Schulmeister Hufnagel eine Unterkunft gefunden hatte. Im Sommer 1702 scheint der Maurermeister Weismain mit seiner Familie wieder verlassen zu haben, denn in den Quellen finden sich später keine Hinweise mehr auf ihn.
Durch Frondienste der Bürgerschaft schritt der Bau voran, und im Herbst 1702 war der Rohbau fertig. Am Burgweg entstand ein einfacher, sehr schlichter, anspruchsloser Saalbau aus verputzten Sandsteinquadern. Auffallend sind lediglich das Westportal mit dem gesprengten Segmentgiebel und der achteckige, verschieferte Glockenturm. Die Bürger unterstützten den Bau, Handwerker arbeiteten ehrenamtlich und die beiden Bürgermeister Johann Moritz Schmelzing und Melchior Korzendorfer engagierten sich als Förderer des Kapellenbaus. Trotz des immer wieder beklagten Geldmangels machte der Bau Fortschritte, und am 13. Juni 1706 konsekrierte schließlich Weihbischof Johann Werner Schnatz den Heilig-Kreuz-Altar in der neuen Kapelle.
Der Bamberger Bauforscher Dr. Peter Ruderich bezweifelt, dass Maurermeister Schreinlinhard zugleich als Architekt der Kapelle anzusehen sei. Er vermutet vielmehr: Es scheint daher wahrscheinlicher, den Entwurf dem Taufpaten seines Sohnes zuzuschreiben, dem bewährten Maurermeister Christoph Leidner, einem gebürtigen Tiroler aus der Pfarrei Ebbs bei Kufstein. Dieser ist schon 1687/88 als Geselle in Bamberg nachweisbar, arbeitete 1689 bis 1692 als Polier Leonhard Dientzenhofers an der Bamberger Jesuitenkirche [Kirche St. Martin in der Fußgängerzone], am Amtsschloß Marloffstein und schließlich auf Schloß Greifenstein. 1692 erhielt er das Landmeisterrecht als Maurer und Steinhauer; zunächst in Hallstadt ansässig, ließ er sich 1694 in Gaustadt und schließlich 1697 in Bamberg nieder. Von hier aus war er bis zu seinem Tod 1719 vor allem als Baumeister von schlichten Landkirchen und Pfarrhöfen im gesamten Hochstiftsgebiet recht erfolgreich tätig. 1702 hielt er sich als „Palier“ in Weismain auf, so daß er durchaus als entwerfender Architekt der Kreuzkapelle in Frage kommt.
War es während der Bauzeit schwierig, das erforderliche Geld für den Kapellenbau zu akquirieren, scheint die Spendenfreudigkeit der Gläubigen in den ersten Jahren nach der Fertigstellung sehr groß gewesen zu sein. Durch Spenden kam nach und nach die Innenausstattung (drei Altäre, eine Orgel und eine Glocke) in die Kapelle. Der Weismainer Chronist Johann Baptist Foerst schreibt im Jahr 1856 über die Kreuzkapelle: Bemerkenswerth erscheint es noch anzuführen, daß in den ersten Jahren der Entstehung der Kapelle die Opfer an Geld, Kälbern, Schaafen, Ziegen, Gänsen, Hühnern, Schmalz, Gedrait etc. etc. in so reichlichen Maaße der Kapelle zu flossen, daß ein eigener Platz für die geopferten Thiere unter der Stiege der Emporkirche eingerichtet werden mußte, damit die Thiere die Kapelle nicht verunreinigen konnten. Der Erlös aus dergleichen Opfern betrug jährlich über 100 fl (Abk. f. Gulden) – wie die Rechnungen der Jahre 1721-27 darthun.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden verschiedene Reparaturen notwendig. Das Dach und der Turm wurden ausgebessert, und 1792 wurde die heute noch erhaltene Kirchentür eingebaut. Auch das Kommunikantengitter stammt aus dieser Zeit. Im Chor stellte die Kirchengemeinde die beiden Holzbänke auf, die wiederum einige Jahrzehnte später mit je einem Wappenschild bekrönt wurden.
Über der linken Chorbank befindet sich das Wappen der Familie Handel, das dort im Jahr 1880 vom österreichischen General Viktor Freiherr von Handel-Mazzetti angebracht wurde – so verrät es das Spruchband unter dem Schild. Der General hielt sich in den Jahren 1876 und 1913 in Weismain auf, um im Pfarrarchiv und in den Bamberger Archiven Ahnenforschung zu betreiben. Mit dem Familienwappen setzte er seinem Weismainer Vorfahren Johann („Hans“) Handel ein Denkmal. Handel war Metzger von Beruf, was den dargestellten Stierkopf erklärt. Das Handel’sche Familienwappen erinnert bis heute an die Weismainer Zeit dieser mittlerweile über ganz Europa verzweigten Familie, die sich heute auch von Handel oder van Handel nennt.
Warum Viktor von Handel-Mazzetti die Kreuzkapelle für die Anbringung des Familienwappens wählte, lässt sich nur vermuten. Die Kapelle verbinden viele Details mit Österreich, und besonders mit der Hauptstadt Wien: So sollen die ursprünglichen drei Altäre von Georg Heinrich von Lamprecht, einem gebürtigen Weismainer, gestiftet worden sein, der Kurat am Wiener Dom war. Besagter Lamprecht hinterließ auch einen größeren Betrag an Geld, von dem vier Messen pro Woche in der Kapelle gelesen werden sollten. [Mehr über Lamprecht siehe Günter Dippold in Weismain Band 1]. Die Orgel der Kapelle wurde von Geheimrat von Rosenzweig gestiftet – ebenfalls ein Weismainer, der eine Zeit in Wien verbrachte und dort Karriere machte.
Bis ins 14. Jahrhundert konnte Viktor Freiherr von Handel-Mazzetti seine Vorfahren zurückverfolgen. Ursprünglich lebten sie wohl in den Niederlanden, und etwa 100 Jahre später sind Mitglieder der Familie in Württemberg nachweisbar. In Dettingen an der Erms wurde im Jahr 1556 ein Franz Handel erwähnt, der der Vater des später in Weismain ansässigen Johann Handels gewesen sein könnte – so rekonstruierte es der Weismainer Heimatforscher Bernhard Dietz. Franz Handel zog aus dem Württembergischen nach Isling, und 1626 trat sein Sohn Hans vor den Weismainer Stadtrat, weil er seine Ausbildung als Metzger abgeschlossen hatte. Er hatte die Lehre bei Hans Morch absolviert, und nach zwei Lehrjahren hatte er ein weiteres Jahr bei seinem Lehrherrn gegen Lohn gearbeitet. Johann („Hans“) Handel, 1601 geboren, blieb in Weismain und ließ sich in der Stadt als Metzger nieder.
1629 heiratete er Margaretha Knauer, mit der er neun Kinder hatte. Die Familie erlitt nach den schweren Jahren des 30-jährigen Kriegs ein besonderes Schicksal, weil Margaretha Handel im Jahr 1674 der Hexerei bezichtigt wurde. Die 75-jährige wurde nach Bamberg gebracht, wo sich ihr Verhör über sieben Wochen hinzog. Am 14. Dezember starb sie unvermutet nach einer der Torturen, ohne dass ihr jedoch eine Schuld hätte nachgewiesen werden können. Ihre Familie ließ den Leichnam zurück nach Weismain bringen, wo er von Pfarrer Elias Kraus nach katholischem Ritus beerdigt wurde.
Auch wenn heute keine Familienmitglieder mehr in Weismain leben, so gibt es doch noch immer Beziehungen zur österreichischen Familie Handel. Freundschaftlich mit der Stadt Weismain verbunden ist besonders Baron Norbert van Handel, der auf Schloss Almegg in Steinerkirchen an der Traun in Oberösterreich lebt. Wer bei der Buchvorstellung des Weismain Band 1 dabei war, kann sich sicher noch an den Besuch des Barons erinnern. Aus der Familientradition heraus hat Baron Norbert van Handel die frühere Form des Familiennamens wieder angenommen.
Über der rechten Chorbank ist das Wappen der Schenk von Stauffenberg angebracht. Hierfür könnte es zwei Erklärungen geben. Zum einen war Johann Albrecht Schenk von Stauffenberg von 1698 bis 1723 als Oberamtmann in Weismain tätig. Heimatforscher Bernhard Dietz bezeichnet ihn in seinen Aufzeichnungen als sonderbaren Guttäter der Kirche. Sein weitläufiger Verwandter Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg wirkte von 1683 bis 1693 als Bamberger Fürstbischof, also genau in der Zeit, als sich die Weismainer Gedanken wegen des Kapellenneubaus machten.
Doch zurück zur Kreuzkapelle, um die es ruhig wurde, nachdem die Karfreitagsprozession im frühen 19. Jahrhundert eingestellt worden war. Der Plan, um sie herum einen neuen Friedhof anzulegen, fand keine Umsetzung. Stattdessen diente die Kreuzkapelle als Ausweichmöglichkeit für die Gottesdienste, wenn diese nicht in der Pfarrkirche St. Martin abgehalten werden konnten. Dies war zum Beispiel 1816 und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Fall, als das Langhaus der Pfarrkirche wegen Bauschäden gesperrt war.
Im späten 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten Umbau- bzw. Sanierungsarbeiten das Erscheinungsbild des Innenraums erheblich. Als erstes wurde das ursprüngliche Chorgewölbe entfernt und durch eine Flachdecke ersetzt, bevor es in den Jahren um 1900 zu einer Gesamtrenovierung kam.
Finanziell wurde dies der katholischen Gemeinde durch die Kirchenbaulotterie ermöglicht, die kurz zuvor für den Neubau des Langhauses der Pfarrkirche St. Martin durchgeführt worden war. Im Zuge der Renovierung wurde der frühere Hochaltar, der hoechstwahrscheinlich aus Ueberresten von alten, außer Gebrauch gesetzten Altären von Kloster Langheim stammte, durch einen qualitätvollen Neubau im Stil der Neorenaissance ersetzt. Das Denkmalamt drängte auf den Erhalt des ausdrucksstarken Kruzifixus, der eine Arbeit aus dem 17. Jahrhundert ist. Die Figuren der Maria und des Johannes schuf der Bamberger Bildhauer Philipp Dorsch im Jahr 1901. Eine Weismainerin sagte mir vor kurzem, dass ihre Mutter ihr erzählt habe, dass italienische Handwerker den Terrazzo-Fußboden in der Kapelle gestaltet hätten. Im September 1903 kamen schließlich die Tafeln mit den Kreuzwegstationen in die Kapelle – die Bilder sind auf Blech gemalt und ziemlich empfindlich, wie sich während der jüngsten Restaurierung gezeigt hat.
Pfarrer Heinrich Lindner, der damals in Weismain wirkte, bewies während der Sanierungsarbeiten ein nur wenig ausgeprägtes Gespür für kunst- und baugeschichtliche Belange. Durch die von ihm angeordneten Umbauten im Chor (der Boden sollte wegen Feuchtigkeit höher gelegt werden) wurde auch der Altarstein angehoben und untermauert, was dazu führte, dass der gesamte Altar neu geweiht werden musste.
Während der jüngsten Renovierung wurde versucht, sich dem früheren Erscheinungsbild der Kapelle – sofern dies noch möglich ist – behutsam wieder anzunähern. Von der ursprünglichen Einrichtung hat sich fast nichts erhalten. Die beiden Figuren des Hl. Antonius von Padua (rechts) und des Hl. Aloisius von Gonzaga (links) zieren nun die Plätze der früheren Seitenaltäre. Die Muttergottes von Fatima, die in der Kapelle verehrt wird, hat deshalb einen neuen Platz gefunden. Im Chor kam während der Restaurierung hinter einem Ofen der Rest einer früheren Farbfassung zu Tage, die zur Dokumentation erhalten blieb. Der Ofen war wahrscheinlich ein Relikt aus den Nachkriegsjahren, als die evangelische Kirchengemeinde Buchau/Weismain in der Kapelle ihre Gottesdienste feierte, bis die eigene Christuskirche im September 1960 fertig war.
Bis heute engagieren sich Weismainer Bürger für den Erhalt der Kreuzkapelle. An erster Stelle ist hier natürlich die Weismainer Kolpingfamilie zu nennen. Besonders in der Osterzeit rückt die Kapelle ins Licht der Öffentlichkeit, wenn von dort die Palmsonntagsprozession in die Pfarrkirche zieht. Am Karfreitag lädt die Katholische Pfarrei zum Bußgang ein, der von der Kapelle am Oberen Tor zur Kreuzkapelle führt. Im September wird das Patronatsfest mit einem Gottesdienst in der Kapelle gefeiert.
In Verbindung mit der Kreuzkapelle sind auch die sieben Bildstöcke aus Sandstein zu sehen, die am Burgweg stehen und an denen der Kreuzweg gebetet wurde, wenn am Karfreitag die Prozession in die Kapelle zog. In der Bayerischen Denkmalliste sind die sieben Kreuzwegstationen in Zusammenhang mit der Kapelle verzeichnet. Die plastisch und sehr aufwändig gearbeiteten Bildstöcke, die von Bürgern gestiftet wurden, stammen aus den Jahren von 1703 bis 1724. In seiner Gesamtheit stellt dieser […] erhaltene Kreuzweg ein bedeutendes kulturgeschichtliches Denkmal dar, so urteilt Dr. Peter Ruderich.
Literatur:
Johann Baptist Foerst: Weißmain, das ehemalige Fürstbischöfliche Bamberg’sche Landstädtchen geschichtlich dargestellt von den derzeitigen Gemeindevorsteher dasselbst. Als Versuch einer Local=Chronick. Manuskript 1856, S. 29 f. (Verwahrt im Stadtarchiv Weismain)
Bernhard Dietz: Der Kreuzweg auf dem Burgberg zu Weismain. In: Heimat-Blätter vom Maintal und Jura / Beilage zum Lichtenfelser Tagblatt Nr. 17/1930.
Die Geschichte der Kreuzkapelle in Weismain, nach einer Aufzeichnung des bekannten Heimatforschers Bernhard Dietz +. In: Heimat-Blätter vom Maintal und Jura / Beilage zum Lichtenfelser Tagblatt Nr. 11/1960.
Peter Ruderich: Kunst- und Architekturgeschichte Weismains vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 2, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 1996, S. 81-200, hier S. 123).
Günter Dippold: Zur Weismainer Kirchengeschichte von den Anfängen bis zum Ende des Hochstifts Bamberg. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 1, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 2011, S. 203-230, hier S. 219-222.
Josef Urban: Aspekte der Weismainer Pfarr- und Kirchengeschichte im 19. Jahrhundert. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 1, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 2011, S. 231-262, hier S. 236 f.
Alfons Motschenbacher: Die katholische Pfarrei Weismain in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Band 1, hrsg. v. Günter Dippold. Weismain 2011, S. 263-278, hier S. 264.
Norbert Fiedler: Hl.-Kreuz-Kapelle. In: Weismain. St. Martin. Kleine Kunstführer Nr. 1813, Regensburg 2000 (2. Aufl.), S. 16-19.